Mit Beginn der Saison 1975/1976 ermittelten die besten Basketballmannschaften der Bundesrepublik ihren Meister erstmals in einer einteiligen Liga. Skeptisch standen viele Basketballfreunde dem neuen Modus gegenüber, den die zehn qualifizierten Mannschaften zu bestreiten hatten. Wie im Fußball fand lediglich eine doppelte Punkterunde mit Hin- und Rückspiel statt. Der Klub, der nach den 18 zu absolvierenden Spieltagen auf Platz eins stand, hatte den Titel eingeheimst. Sollte die unvergleichliche Atmosphäre und die Dramatik, die in den zurückliegenden Jahren in den spannungsgeladenen Endrunden- und Finalduellen - meist mit Beteiligung des MTV 1846 Gießen - zu beobachten gewesen war, endgültig der Vergangenheit angehören? Nun, um an dieser Stelle schon mal vorzugreifen, allzu lange hatte das Reglement nicht Bestand. Schon mit Beginn der Saison 1976/1977 führten die Verantwortlichen des Deutschen Basketball-Bundes im Anschluss an die doppelte Punkterunde wieder eine Endrunde ein, für die sich die sechs besten Mannschaften
der "normalen" Runde qualifizieren sollten.
Doch zurück zur Saison 75/76, die aus Gießener Sicht leider nicht sehr erfolgreich verlief. Obwohl der MTV 1846 nach dem Gewinn der 4. Deutschen Meisterschaft keine Abgänge zu verzeichnen hatte und mit Matthias Strauss ein großes Talent von Eintracht Frankfurt an die Lahn gewechselt war, deutete sich schon in der Hinrunde an, dass die Gießener mit der Vergabe des Titels diesmal nichts zu tun haben. Vier Niederlagen handelte man sich in den ersten neun Spielen ein, die 86:98-Niederlage bei den bis dato erst mit einer Niederlage da stehenden Leverkusenern am ersten Rückrundenspieltag bedeutete dann eigentlich schon das Ende aller Träume für den von Klaus Jungnickel trainierten MTV, der am Ende der Saison mit 20:16 Punkten auf dem fünften Platz landete. Ein Grund für das schwache Abschneiden des Titelverteidigers lag sicher in dem langfristigen Ausfall des deutschen A-Nationalspielers Hans Heß. Der in der Vorsaison hinter Dennis Curran zweiterfolgreichste Punktesammler des MTV-Teams war am dritten Spieltag unmittelbar vor dem Auswärtsspiel beim ASV Köln beim Aussteigen aus dem Bus unglücklich ausgerutscht, hatte sich dabei einen Abriss der Strecksehne unterhalb der Kniescheibe zugezogen und fiel für den Rest der Saison aus.
Den Titel des Deutschen Meisters sicherte sich letztlich das Team vom TuS 04 Leverkusen (30:6 Punkte), gegen den der MTV 1846 am 25. Februar 1976 auch im Halbfinale des Pokalwettbewerbes den Kürzeren zog. In der Rundsporthalle mussten sich die Gießener deutlich mit 97:120 (45:64) geschlagen geben. Vizemeister wurde der MTV Wolfenbüttel (28:8), der SSV Hagen (26:10) machte
den totalen Triumph der Nordteams als Dritter der Meisterschaftsendtabelle perfekt.
Um im Europapokal endlich einmal über die zweite Runde hinauszukommen, hatte der MTV einiges unternommen. Neben Dennis Curran hatte man ausschließlich für den Europacupwettbewerb mit Maurice Presley einen zweiten US-Amerikaner verpflichtet. Im Gegensatz zur Bundesliga, in der nur der Einsatz von einem Ausländer erlaubt war, durften im Europapokal zwei Ausländer pro Team mitspielen. Der von der Universität von Houston gekommene Presley, der aufgrund seiner Größe (2,08 m) in der ansonsten sehr klein besetzten MTV-Truppe von der heimischen Presse schnell den Beinamen "Der Gigant aus Houston" verpasst bekommen hatte, gab sein Debüt am 28. Oktober 1975 in einem Freundschaftsspiel gegen die US-Army-Auswahl aus Wiesbaden, den frisch gebackenen Army-Europameister. Beim 122:58-Erfolg des MTV deutete Presley mit 17 Punkten und zahlreichen Rebounds seine Klasse an. Anschließend sammelte er im Regionalligateam des MTV 1846
Gießen II Spielpraxis.
Ende November war es schließlich soweit, das Aufeinandertreffen mit dem bulgarischen Meister Akademik Sofia stand an. Schon im Hinspiel in der Osthalle zeigte Presley, dass er mit außergewöhnlich guten Reboundqualitäten ausgestattet ist. Vor 2000 Fans pflückte er Abpraller um Abpraller und trug so entscheidenden Anteil am 89:75-Erfolg des MTV, der in Dennis Curran (21 Punkte) und Nationalspieler Roland Peters (14) seine besten Werfer hatte. Doch im Rückspiel sollte es wieder einmal nicht reichen für die "Männerturner". 25 Punkte von Peters und 23 von Presley waren zu wenig, Topscorer Curran hatte mit nur neun Punkten leider nicht seinen besten Tag erwischt. Am Ende verlor das Gießener Team in der bulgarischen Hauptstadt mit 69:84 und schied aus - nur zwei Punkte mehr und man hätte erstmals das Achtelfinale erreicht. Ein Wiedersehen mit "Rice" Presley
sollte es für die MTV-Fans dennoch geben...
Hauptrunde / Eingleisige Bundesliga (Meister wurde in einfacher Runde mit Hin- und Rückspiel ermittelt; Heimspielort: Sporthalle Ost):
27.09. MTV Wolfenbüttel
- MTV 1846 Gießen 84:72 (30:36)
04.10. MTV 1846 Gießen - ADB Koblenz 111:75 (55:40), Zusch.: 1.000
11.10. ASV Köln - MTV 1846 Gießen 84:92 (40:39)
18.10. MTV 1846 Gießen - TuS 04 Leverkusen 79:92 (36:45), Z.: 2.000
25.10. BC/USC München - MTV 1846 Gießen 87:86 (39:42)
08.11. MTV 1846 Gießen - 1. FC Bamberg 85:65 (53:25), Z.: 1.500
15.11. Ruwa Essen - MTV 1846 Gießen 88:126 (46:50)
29.11. MTV 1846 Gießen - SSV Hagen 79:77 (36:37)
13.12. USC Heidelberg - MTV 1846 Gießen 83:73 (35:30)
17.01. TuS 04 Leverkusen - MTV 1846 Gießen 98:86 (42:39)
24.01. MTV 1846 Gießen - BC/USC München 87:75 (42:42), Z.: 831
31.01. 1. FC Bamberg - MTV 1846 Gießen 115:89 (60:49)
14.02. MTV 1846 Gießen - Ruwa Essen 98:76 (52:37), Z.: 500
21.02. MTV 1846 Gießen - MTV Wolfenbüttel 80:74 (41:29), Z.: 1.200
06.03. MTV 1846 Gießen - ASV Köln 95:77 (44:38), Z.: 700
13.03. ADB Koblenz - MTV 1846 Gießen 87:80 (47:42)
20.03. SSV Hagen - MTV 1846 Gießen 79:77 (41:32)
27.03. MTV 1846 Gießen - USC Heidelberg 103:82 (52:36), Z.: 700
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Abschlusstabelle:
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1 TuS 04 Leverkusen 30:6 Punkte + 321 Körbe
2 MTV Wolfenbüttel 28:8 Punkte + 332 Körbe
3 SSV Hagen 26:10 Punkte + 131 Körbe
4 USC Heidelberg 24:12 Punkte + 89 Körbe
5 MTV 1846 Gießen 20:16 Punkte + 100 Körbe
6 1. FC Bamberg 16:20 Punkte - 33 Körbe
7 ASV Köln 14:22 Punkte - 140 Körbe
8 BC/USC München 14:22 Punkte - 134 Körbe
9 ADB Koblenz 8:28 Punkte - 312 Körbe
10 Ruwa Essen 0:36 Punkte - 357 Körbe
Deutscher Meister 1975/1976:
TuS 04 Leverkusen
Europapokal der Pokalsieger:
2.
Runde (20./27.11.75):
MTV 1846 Gießen - Akademik Sofia 89:75 (53:35)
Akademik Sofia - MTV 1846 Gießen 84:69 (39:25)
Deutscher Pokalwettbewerb:
3. Runde (10.01.76):
MTV 1846 Gießen - ADB Koblenz 92:60 (39:30)
Viertelfinale
(08.02.76):
MTV 1846 Gießen - SSV Hagen 99:87 (49:39)
Halbfinale
(25.02.76):
TuS 04 Leverkusen - MTV 1846 Gießen 120:97 (64:45)
Deutscher Pokalsieger 1975/1976:
TuS 04 Leverkusen