Auch Niederlagen können magische Momente sein. Zumal dann, wenn sich trotz des sportlichen Misserfolgs der Name eines Spielers in knapp zwei Wochen für ewig in die Köpfe der Fans eingraviert: Leon Wood.
Die unvergessenen Basketballtage des Frühjahres 1992 begannen einen Tag nach Aschermittwoch. Kurz zuvor hatte sich die Mannschaft von Trainer Hans Brauer noch einmal im letzten Heimspiel gegen Brandt Hagen bis auf die Knochen blamiert. Das Team um die Gebrüder Andres wurde mit einem Pfeifkonzert der eigenen Fans aus der Hauptrunde verabschiedet. Was blieb war Platz drei der Südgruppe in der seinerzeit noch geteilten Bundesliga. Gegner in der 1. Runde der Best-of-three Play-Off-Serie sollte ausgerechnet Alba Berlin sein. Unter normalen Umständen ein ziemlich aussichtsloses Vorhaben für die Giessener low-budget-Truppe mit Spielern wie Axel Schubert, Björn Bernard, Thorsten Schenck, Bernd Uhlemann und Kai Löffler.
Was niemand wusste: die Männerturner hatten noch ein Ass im Ärmel. Bereits vor Ende der Wechselfrist Ende Januar hatten sie für den Fall der Fälle den Ex-Philadelphia-, Ex-Sacramento-NBA-Playmaker Leon Wood gezeichnet. Der war verletzungsbedingt aus der besten Liga der Welt ausgeschieden, wieder genesen und suchte ein Kurz-Engagement. Der MTV 1846 hielt ihn seit Januar in Wartestellung, am Donnerstag nach Aschermittwoch nahm ihn Co-Trainer Michael Müller am Frankfurter Flughafen in Empfang. Und staunte nicht schlecht, als Wood unmittelbar nach seinem Atlantikflug erst einmal in die Osthalle wollte - ein bisschen auf den Korb werfen. Zeitzeugen behaupten, Wood habe dann sozusagen zum Warmwerden von fünfzig Dreiern vierzig getroffen (andere wollen von dreißig Versuchen 25 im Ziel gesehen haben). In jedem Fall stand Trainer Hans Brauer und seinem Co. Michael Müller der Mund offen.
Zwei Tage und ebenso viele Trainingseinheiten mit der Mannschaft später wartete schon Alba Berlin um Spielmacher Emir Mutapcic. Und bereits dieses erste von insgesamt drei Spielen in der Charlottenburger Sporthalle gehört zu den Magic Moments. Zweimal zwang Gießen um Topscorer Leon Wood (19 Punkte) die Berliner in eine Verlängerung. Augenzeugen sind noch heute sicher, dass mindestens die zweite Overtime ein Geschenk der Unparteiischen an die Hausherren war, weil Leon Woods Dreier "vom Parkplatz" vor und nicht nach der Schlusssirene erfolgte. Am Ende behielt Berlin mit 83:80 die Oberhand. Brauer gab die Devise aus: Am Freitag in der Osthalle werden die Karten neu gemischt.
Und wie sie gemischt wurden. "Der Titel kann kaum schöner sein" hieß es damals nach dem 86:75 für den MTV im "Gießener Anzeiger". Ein völlig losgelöster Leon Wood schenkte den Berlinern 33 Punkte ein, bei jedem ruhenden Ball skandierten die Fans "Always look on the bright side of life". Nach offiziellen Angaben 2000 Zuschauer, die sich eher anfühlten wie 3000 schunkelten mitten in der Fastenzeit und sorgten für ein Basketballfest, wie es selbst in der begeisterungsfähigen Osthalle pro Dekade nur einmal vorkommt. Zwei Tage später allerdings erwachte Basketball-Gießen aus seinen Träumen. Zwar lief Leon Wood noch einmal zu großer Form auf, verbuchte 25 Zähler, aber Berlins früherer NBA-Center Uwe Blab zerstörte mit seinen 32 Zählern unter dem Brett alle Gießener Hoffnungen, was die Fans allerdings nur kurzfristig irritierte. Schon wenige Minuten nach Spielende bedankten sie sich noch einmal bei ihren Helden mit einem vielstimmigen "Always look on the bright side of life". Leon Wood verließ wenig später Gießen, er ist heute Schiedsrichter in der NBA.
Text: Wolfgang Lehmann
Spieler | Spiele | ||
---|---|---|---|
1. | Ajmal Basit | 28 | 10,32 |
2. | Sylvester Kincheon | 35 | 9,94 |
3. | Reggie Bassette | 20 | 9,80 |
4. | Ralph McPerson | 26 | 8,27 |
5. | Joey Beard | 30 | 8,27 |
6. | Douglas Keith Roth | 64 | 8,27 |
7. | T. J. Lux | 29 | 8,10 |
8. | Souleymane Wane | 55 | 7,89 |
9. | Marzel Price | 32 | 7,72 |
10. | Kevin Johnson | 34 | 7,21 |