Obwohl die Konkurrenz in München, Bamberg und Heidelberg nicht geschlafen hatte, startete der MTV 1846 Gießen als amtierender Pokalsieger erneut als heißer Favorit auf die Süd-Meisterschaft in die Saison 1973/1974. Die ersten Ergebnisse bestätigten diese Erwartung. Nach den ersten beiden Auswärtssiegen in Augsburg (102:75) und Koblenz (95:74) wurde der FC Bayern München im ersten Heimspiel regelrecht deklassiert. Der 122:32-Sieg (!) ist bis zum heutigen Tag der höchste Erfolg einer Gießener Mannschaft in der Basketball-Bundesliga.
Während man im Punktspielalltag weiter von Sieg zu Sieg eilte (in der Hinrunde ging es lediglich bei den Gastspielen in Bamberg/78:77 und Heidelberg/55:51 knapp zu), scheiterte der MTV 1846 im Europapokal erneut bei dem Versuch, die zweite Runde zu überstehen. Nach dem lockeren Erstrundenaufgallop gegen den dänischen Vertreter Falcon Kopenhagen (das Hinspiel in Gießen endete 112:51, das Rückspiel gewannen die "Männerturner" mit 89:45) kam das Aus in Runde zwei gegen CSKA Sofia. Der knappe 75:74-Hinspielerfolg vor 1.100 Besuchern in der Sporthalle Ost reichte nicht aus. Beim Rückspiel in
der bulgarischen Hauptstadt gab es eine 81:93 (33:43)-Niederlage.
Eine Kuriosität ereignete sich beim Rückrundenauftakt in der Bundesliga. Das Heimspiel gegen die BG Augsburg musste dreieinhalb Minuten vor dem Ende beim Stande von 127:43 für den MTV abgebrochen werden, da sieben Spieler der nur zu acht angereisten Augsburger Mannschaft zu diesem Zeitpunkt schon fünf persönliche Fouls auf ihrem Konto hatten und infolgedessen nicht mehr am Spiel teilnehmen durften. Die Gäste hatten ihr Heil zuvor in einer fragwürdigen Taktik gesucht und absichtliche Fouls begangen, um einen Spielabbruch zu erzwingen und einer
drohenden Rekordniederlage zu entgehen.
Souverän marschierten die Gießener Basketballer um den blonden Centerhünen Toni Koski, "Dschang" Jungnickel, "Karli" Ampt und "Hansi" Heß auch in der Rückrunde von Sieg zu Sieg. Erst im allerletzten Spiel setzte es eine Niederlage für die 1846er. Beim 62:66 verlor man gegen keinen Geringeren als den amtierenden Deutschen Meister USC Heidelberg. Dennoch sicherte sich der MTV mit 26:2 Punkten überlegen die Süd-Meisterschaft vor Heidelberg (22:6) und den ebenfalls für die Endrunde qualifizierten Teams des USC München und des 1. FC
Bamberg (je 16:12).
In der Endrundengruppe I ging es dann wesentlich knapper zu. Der MTV kassierte zuhause und auswärts jeweils eine Ein-Punkt-Niederlage gegen den TuS 04 Leverkusen (gegen den die Mittelhessen wenig später auch im Pokal-Halbfinale mit 93:95 den Kürzeren zogen), musste sich auch im letzten der sechs Endrundenpartien beim Hamburger TB äußerst knapp mit 75:76 geschlagen geben und erreichte nur aufgrund des besseren Direktvergleiches mit den punktgleichen Norddeutschen (je 6:6) als Zweiter hinter Leverkusen das Halbfinale.
In der Vorschlussrunde traf das Gießener Team auf den SSV Hagen, der sich in der anderen Endrundengruppe durchgesetzt hatte. 3.500 Zuschauer, unter ihnen 800 heißblütige Hagener Fans, waren am 16. März 1974 dabei, als in der Osthalle das Hinspiel von den Schiedsrichtern freigegeben wurde. Nach einer ausgeglichenen ersten Hälfte (37:38 aus MTV-Sicht) lieferten die Hausherren nach der Pause eine beeindruckende Vorstellung ab. Sein herausragendes Können stellte an diesem Abend einmal mehr Toni Koski unter Beweis, der unter und über den beiden Körben dominierte und die nicht gerade kleinen Hagener Center Martinek und Schaumann mehrmals schlecht aussehen ließ. Oft standen die "langen Latten" der Gäste nur hilflos umher, wenn die Nummer 13 im MTV-Trikot den Ball, einen Stock höher, durch den Korb jagte. Mit 29 Punkten war Koski maßgeblich am 80:66-Hinspielerfolg des MTV beteiligt. Decker (14) und Jungnickel (10) steuerten ebenfalls zweistellige Punktewerte zum viel umjubelten
Heimsieg bei.
Eine Woche später ging es beim Rückspiel in der Hagener Ischelandhalle dann wie schon so oft zuvor in der Geschichte der Gießener Bundesliga-Basketballer hochdramatisch zu. Schon zur Halbzeit lag der wie entfesselnd aufspielende SSV Hagen vor cirka 2.500 Zuschauern (darunter rund 250 Gießener Fans) mit 40:33 in Führung, womit die Westfalen schon die Hälfte des Rückstandes aus dem Hinspiel wettgemacht hatten (damals wurden die Ergebnisse aus Hin- und Rückspiel addiert). Wie aufgeputscht kamen die Hagener aus den Kabinen und bauten ihre Führung auf 63:42 aus. Der MTV schlug noch einmal zurück und verkürzte auf 15 Punkte Differenz, hatte aber leider das schlechtere Ende für sich. Hagen triumphierte mit 74:59, erreichte das Finale
und setzte sich dort auch gegen den USC Heidelberg durch.
(Text teilweise entnommen aus dem Buch "Die MTV-Story" von G. Raschke)
Bundesliga / Gruppe Süd (acht Teams, die besten Vier erreichten die Endrunde; Heimspielort: Sporthalle Ost):
BG Augsburg - MTV 1846 Gießen 75:102 (33:48)
ADB Koblenz - MTV 1846 Gießen 74:95 (38:38)
MTV 1846 Gießen - Bayern München 122:32 (44:14), Zuschauer: 1.200
MTV 1846 Gießen - USC Mainz 98:62 (47:28), Zuschauer: 600
1. FC Bamberg - MTV 1846 Gießen 77:78 (38:37)
MTV 1846 Gießen - USC München 84:52 (31:25), Zuschauer: 1.200
USC Heidelberg - MTV 1846 Gießen 51:55 (31:27)
MTV 1846 Gießen - BG Augsburg 127:43 (71:25), Zuschauer: 500
MTV 1846 Gießen - ADB Koblenz 94:69 (46:29), Zuschauer: 600
Bayern München - MTV 1846 Gießen 58:96 (34:34)
USC Mainz - MTV 1846 Gießen 69:98 (37:47)
MTV 1846 Gießen - 1. FC Bamberg 101:64 (42:25), Zuschauer: 1.600
USC München - MTV 1846 Gießen 71:75 (34:41)
MTV 1846 Gießen - USC Heidelberg 62:66 (37:26), Zuschauer: 2.500
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Abschlusstabelle:
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1 MTV 1846 Gießen 26:2 Punkte + 424 Körbe
2 USC Heidelberg 22:6 Punkte + 234 Körbe
3 USC München 16:12 Punkte + 106 Körbe
4 1. FC Bamberg 16:12 Punkte + 24 Körbe
5 ADB Koblenz 15:13 Punkte + 16 Körbe
6 USC Mainz 8:20 Punkte - 163 Körbe
7 BG Augsburg 5:23 Punkte - 319 Körbe
8 Bayern München 4:24 Punkte - 322 Körbe
Endrunde / Gruppe 1 (vier Mannschaften; je zwei aus Nord und Süd; die besten Zwei erreichten das Halbfinale):
MTV 1846 Gießen - Hamburger TB 91:64 (35:35),
Zuschauer: 1.000
TuS 04 Leverkusen - MTV 1846 Gießen 74:73 (49:34)
1. FC Bamberg - MTV 1846 Gießen 85:116 (40:58)
MTV 1846 Gießen - 1. FC Bamberg 128:74 (58:41), Zuschauer: 1.000
MTV 1846 Gießen - TuS 04 Leverkusen 75:76 (33:37), Zuschauer: 3.000
Hamburger TB - MTV 1846 Gießen 76:75 (36:38)
Endstand: 1. Leverkusen 10:2, 2. Gießen 6:6, 3. Hamburg
6:6 (Gießen aufgrund des besseren Direktvergleiches gegen Hamburg weiter)
Halbfinale (Hin- und Rückspiel):
MTV 1846 Gießen - SSV Hagen 80:66
(37:38)
SSV Hagen - MTV 1846 Gießen 74:59 (40:33)
Deutscher Meister 1973/1974:
SSV Hagen
Europapokal der Pokalsieger:
1.
Runde:
MTV 1846 Gießen - Falcon Kopenhagen 112:51 (46:27), Zuschauer: 900
Falcon Kopenhagen - MTV 1846 Gießen 45:89 (34:35), Zuschauer: 300
2.
Runde:
MTV 1846 Gießen - CSKA Sofia 75:74 (39:37), Zuschauer: 1.100
CSKA Sofia - MTV 1846 Gießen 93:81, Zuschauer: 1.700
Deutscher Pokalwettbewerb:
3. Runde:
MTV 1846 Gießen - Bayern München 97:59 (45:30), Zuschauer: 300
Viertelfinale:
MTV 1846 Gießen - USC Mainz 103:74 (51:38)
Halbfinale:
TuS 04 Leverkusen - MTV 1846 Gießen 95:93 (44:48)
Deutscher Pokalsieger 1973/1974:
TuS 04 Leverkusen