Betrachtet man die Spielzeit 05/06 im Vergleich zur vorangegangenen, liegt natürlich der Schluss nahe, dass es ein weitestgehend enttäuschendes Jahr für die 46ers war. Doch wie so ziemlich alles im Leben sollte auch das Abschneiden in dieser Spielzeit mindestens von zwei Seiten betrachtet und bewertet werden. Schon nach der letzten, am Ende mit dem Einzug ins Play-Off-Halbfinale wie im Rausch verlaufenen Saison sprach Cheftrainer Stefan Koch davon, dass ein solcher Erfolg angesichts der wirtschaftlichen Ausgangslage der 46ers im Vergleich zu den anderen
BBL-Klubs nicht beliebig wiederholbar sei.
Der größte Trumpf, den die 46ers vor der neuen Spielzeit in der Hinterhand hatten, war die Eingespieltheit des Teams, die durch die frühzeitig geglückten Vertragsverlängerungen mit den Leistungsträgern der 2004/2005er-Truppe ermöglicht worden war. Doch schon in der Saisonvorbereitung wurde dieser Vorteil in ganz erheblichem Maße zerstört. Der größte anzunehmende Unfall in Form eines Kreuz- und Innenbandrisses bei dem BBL-Spieler des Jahres
2004/2005, Chuck Eidson, traf die 46ers und deren Fans im September wie ein Keulenschlag.
Gleichwohl profitierten die Akteure des mittelhessischen Bundesliga-Urgesteins nach der Verpflichtung des Eidson-Stellvertreters B.J. Elder in den ersten Saisonspielen dennoch von ihrem fast blinden Verständnis auf dem Feld, so dass sogar die nach nur einem Spiel erfolgte Trennung von Power Forward Terrence Leather und die anschließende langwierige Suche nach einem neuen Vierer von wenigen Ausnahmen abgesehen (30-Punkte-Heimklatsche gegen Frankfurt, Heimniederlage gegen Karlsruhe) höchst zufriedenstellend
kompensiert werden konnte.
Ja, phasenweise erinnerte das Auftreten des 46ers-Teams sogar an die wunderbare vorangegangene Saison. So etwa bei den Auswärtstriumphen in Tübingen (89:86 nach Verlängerung) und Leverkusen (80:74) oder den Heimsiegen gegen die Artland Dragons (87:77) und Ludwigsburg (102:76). Die Gießener Fans durften Mitte Dezember nach dem zwölften Spieltag angesichts von 12:12 Punkten und der Einnahme eines Play-Off-Platzes von einer neuerlichen Teilnahme an der Meisterschaftsendrunde träumen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass zu diesem Zeitpunkt mit Souleymane Wane der beste Rebounder des letztjährigen Teams aufgrund einer chronischen Hüftverletzung längst nur noch für Kurzeinsätze zur Verfügung stand, Chris Anrin seit dem Frankfurt-Spiel mit einem eingerissenen Meniskus spielte und beim knappen Pokalsieg in Kaiserslautern dennoch zum Matchwinner avancierte und Gerrit Terdenge mit einer Handverletzung mehrere Wochen lang ausfiel - als Ersatz war der Litauer Vytas Danelius Anfang Dezember mit einem Einmonatsvertrag
ausgestattet worden.
Logisch, dass das 46ers-Team der Tatsache, dass man der prekären Personallage wochenlang erfolgreich getrotzt hatte, irgendwann Tribut zollen musste. Mit dem Mitte Dezember unter Vertrag genommenen Brettspieler Adam Chubb erlebte das 46ers-Team zwischen den Jahren und am Neujahrstag dann vielleicht den Knackpunkt der Saison. Nach den Niederlagen in Oldenburg und zu Hause gegen Trier war man sowohl zwei Tage vor Silvester in Bonn als auch am 1. Januar in Bremerhaven über weite Strecken die bessere Mannschaft und behauptete jeweils bis weit ins Schlussviertel hinein eine Führung im zweistelligen Punktebereich. Es sei im Nachhinein dahingestellt, ob es die mangelnde Erfahrung der jungen 46ers-Akteure oder schlicht und einfach Pech war. Wahrscheinlich kam beides zusammen. Jedenfalls gingen beide Spiele im Foto-Finish doch noch höchst unglücklich verloren - in Bonn kassierte man mit der Schluss-Sirene der regulären Spielzeit den Ausgleich und unterlag in der Verlängerung mit 95:101, im hohen Norden kassierte das Gießener Team in der Schluss-Sekunde einen Jacobson-Dreier
mit Brett (!) zum 82:83.
Fortan befanden sich die 46ers im Abstiegskampf. Zwar nährten die Gavel und Co. Ende Januar bzw. Anfang Februar mit guten Leistungen gegen Bamberg (63:72), in Quakenbrück (86:74) und zu Hause gegen Tübingen (81:74) bei den Fans die Hoffnung, dass es am Ende doch noch für den Play-Off-Einzug reichen könnte. Da bei den 46ers die einzige Rückrunden-Konstante jedoch die Unkonstanz war, hatte sich dieses Thema spätestens nach der 78:95-Heimschlappe gegen Leverkusen und der 74:80-Auswärtsniederlage in Karlsruhe Anfang März, bei der Chuck
Eidson sein heiß ersehntes Comeback gab, endgültig erledigt.
Angesichts von lediglich zwei Zählern Vorsprung auf den Abstiegsrang 15 befanden sich die Gießener vor dem am fünftletzten Spieltag anstehenden Hessenderby in Frankfurt in akuter Abstiegsgefahr. Die 46ers-Verantwortlichen hatten nach der Niederlage in Karlsruhe auf die Notlage unter dem Korb (Soul Wane war mittlerweile komplett ausgefallen, so dass der eigentlich für die Position vier vorgesehene Adam Chubb auf die Fünf rücken musste, der Aushilfs-Vierer Chris Anrin laborierte weiter an seiner Meniskusverletzung) reagiert und Vytas Danelius bis zum Saisonende aus Litauen zurückgeholt. Mit Danelius kam man im Pokal-Viertelfinale
zu einem souveränen Heimsieg gegen Trier und zog dadurch ins Endturnier ein.
In Frankfurt zeigten die Gießener dann eine ihrer besten Leistungen in dieser Saison. In kämpferischer Hinsicht gingen die Mannen um Anton Gavel in der ausverkauften und von gut 700 bis 800 Gießener Fans bevölkerten Ballsporthalle ans Limit - der Lohn war ein mit 46:35 gewonnenes Reboundduell, darunter 24 (!) Offensivrebounds, und ein daraus resultierender 94:92-Sieg nach Verlängerung, der die Weichen für den Klassenerhalt stellte. Am 1. April brachte man diesen mit dem ebenfalls hart erkämpften 93:89-Sieg gegen Oldenburg dann unter Dach
und Fach.
Der Sieg im prestigeträchtigen Hessenderby, der wenige Tage zuvor bekannt gewordene positive Dopingbefund bei Chris Anrin (hervorgerufen durch die Einnahme eines Haarwuchsmittels, das von dem Schweden ohne Absprache mit Teamarzt Dr. Wolfgang Leutheuser eingenommen worden war), die letzten Auswärtsniederlagen in Ludwigsburg und Trier sowie erneute Verletzungsausfälle von B.J. Elder und David Jandl spiegeln einen Saisonverlauf wider, der aus Sicht der 46ers alles in allem ähnlich holprig verlief wie die Fahrt auf der Kopfsteinpflasterpassage des berühmten Radklassikers Paris-Roubaix.
Abschließender Höhepunkt war das Pokal-Top4-Wochenende in Bamberg, bei dem das Gießener Team das Halbfinale gegen ALBA Berlin bis zum Ende des dritten Viertels offen hielt. Erst als Louis Campbell mit einer starken Bänderdehnung ausschied, geriet man auf die Verliererstraße. Im Spiel um Platz drei gegen die Artland Dragons krönte Anton Gavel seine herausragende Saison 1,8 Sekunden vor der Schluss-Sirene mit einem Dreipunktwurf zum 84:81-Endstand. Womit er zum letzten Mal in dieser Saison für einen unbeschreiblichen Jubel unter den ca. 500 mitgereisten 46ers-Fans sorgte, die ihre Lieblinge während und nach dem Spiel gebührend abfeierten. In Anbetracht der Umstände
durfte man an der Lahn mit dem Erreichten durchaus zufrieden sein.
Bundesliga / Hauptrunde (16 Teams, die besten Acht erreichten die Play-Offs; Heimspielort: Sporthalle Ost):
14.10. GIESSEN 46ers - Eisbären Bremerhaven
70:84
16.10. Sellbytel Baskets Nürnberg - GIESSEN 46ers 81:86
19.10. GIESSEN 46ers - BS ENERGY Braunschweig 82:63
23.10. GHP Bamberg - GIESSEN 46ers 75:70 n.V.
26.10. GIESSEN 46ers - Artland Dragons 87:77
29.10. WALTER TIGERS Tübingen - GIESSEN 46ers 86:89 n.V.
05.11. GIESSEN 46ers - ALBA Berlin 63:95
10.11. Bayer Leverkusen - GIESSEN 46ers 74:80
19.11. GIESSEN 46ers - BG Karlsruhe 86:91
26.11. RheinEnergie Köln - GIESSEN 46ers 75:73
03.12. GIESSEN 46ers - DEUTSCHE BANK SKYLINERS 63:96
10.12. GIESSEN 46ers - EnBW Ludwigsburg 102:76
17.12. EWE Baskets Oldenburg - GIESSEN 46ers 97:84
23.12. GIESSEN 46ers - TBB Trier 80:99
29.12. Telekom Baskets Bonn - GIESSEN 46ers 101:95 n.V.
01.01. Eisbären Bremerhaven - GIESSEN 46ers 83:82
07.01. GIESSEN 46ers - Sellbytel Baskets Nürnberg 90:84
14.01. BS ENERGY Braunschweig - GIESSEN 46ers 70:60
21.01. GIESSEN 46ers - GHP Bamberg 63:72 n.V.
04.02. Artland Dragons - GIESSEN 46ers 74:86
11.02. GIESSEN 46ers - WALTER TIGERS Tübingen 81:74
18.02. ALBA Berlin - GIESSEN 46ers 102:74
25.02. GIESSEN 46ers - Bayer Leverkusen 78:95
05.03. BG Karlsruhe - GIESSEN 46ers 80:74
11.03. GIESSEN 46ers - RheinEnergie Köln 58:70
19.03. DEUTSCHE BANK SKYLINERS - GIESSEN 46ers 92:94 n.V.
25.03. EnBW Ludwigsburg - GIESSEN 46ers 87:74
01.04. GIESSEN 46ers - EWE Baskets Oldenburg 93:89
08.04. TBB Trier - GIESSEN 46ers 105:91
16.04. GIESSEN 46ers - Telekom Baskets Bonn 70:84
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Abschlusstabelle:
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1 ALBA Berlin 52:8 Punkte + 369 Körbe
2 GHP Bamberg 48:12 Punkte + 271 Körbe
3 RheinEnergie Köln 42:18 Punkte + 157 Körbe
4 Eisbären Bremerhaven 38:22 Punkte + 36 Körbe
5 Artland Dragons 34:26 Punkte + 91 Körbe
6 EnBW Ludwigsburg 32:28 Punkte - 62 Körbe
7 Telekom Baskets Bonn 32:28 Punkte + 21 Körbe
8 EWE Baskets Oldenburg 30:30 Punkte + 16 Körbe
9 TBB Trier 30:30 Punkte + 19 Körbe
10 Bayer Giants Leverkusen 26:34 Punkte - 30 Körbe
11 GIESSEN 46ers 22:38 Punkte - 153 Körbe
12 WALTER Tigers Tübingen 22:38 Punkte - 122 Körbe
13 BG Karlsruhe 20:40 Punkte - 108 Körbe
14 Deutsche Bank Skyliners Frankfurt 20:40 Punkte - 86 Körbe
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15 sellbytel Baskets Nürnberg 18:42 Punkte - 186 Körbe *
16 BS ENERGY Braunschweig 14:46 Punkte - 225 Körbe *
Deutscher Meister 2005/2006: RheinEnergie
Köln
* Klubs steigen nicht in die 2. Liga ab, da die BBL ab der Saison 2006/2007 auf 18 Klubs aufgestockt wird und Nürnberg und Braunschweig eine
Wild-Card erhalten.
Deutscher Pokalwettbewerb (BBL-Pokal):
2. Runde:
06.12. 1. FC Kaiserslautern (2. Liga) - GIESSEN 46ers 83:87
Achtelfinale:
22.02. GIESSEN 46ers - Bayer Leverkusen 86:80
Viertelfinale:
15.03. GIESSEN 46ers - TBB Trier 83:67
Halbfinale (in Bamberg):
22.04. GIESSEN 46ers - ALBA Berlin 69:78
Spiel um Platz 3 (in Bamberg):
23.04. GIESSEN 46ers - Artland Dragons 84:81
Deutscher Pokalsieger 2005/2006: ALBA
Berlin
Das letzte Mal in dieser Konstellation auf dem Basketballcourt zusammen: Das 46ers-Team nach der Siegerehrung in Bamberg.